Deutsche Minderheit in der Russischen Föderation

Typ: Artikel

Nach den vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung 2010 bekennen sich noch rund 400.000 Personen zur deutschen Volkszugehörigkeit.

Mit Abschaffung des Pflicht-Eintrags "Nationalität" in den russischen Inlandspässen basieren die jüngsten Ergebnisse allerdings auf der Grundlage eines freiwilligen Bekenntnisses und geben nicht die tatsächliche Anzahl der Bürger deutscher Abstammung in der Russischen Föderation wieder. Vor der politischen Wende 1989/90 hatten sich noch fast 850.000 Sowjetbürger auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation zu ihrer deutschen Nationalität bekannt.

Schon seit dem Mittelalter lebten Deutsche in den russischen Städten. Im 18. und 19. Jahrhundert betrieben die Zaren eine konsequente Politik der Ansiedlung deutscher Landwirte, Handwerker und anderer Fachkräfte insbesondere im Süden Russlands. So entstanden am Unterlauf der Wolga, in der Ukraine und am Schwarzen Meer kompakte Siedlungsgebiete. Mit der Autonomen Republik der Wolgadeutschen haben die Deutschen in Russland Anfang des 20. Jahrhunderts sogar eigene Staatlichkeit erlangt. In Folge der 1941 vollzogenen Massendeportation und Enteignung sämtlicher Republikbewohner deutscher Abstammung als unmittelbare Reaktion auf den Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion wurde ihnen diese Staatlichkeit wieder genommen. Alle Deutschen der westlichen Sowjetunion wurden innerhalb weniger Wochen in entlegene Gebiete der Sowjetunion verbannt, die meisten von ihnen nach Kasachstan und in die westlichen Landesteile Sibiriens, wo ein großer Teil noch heute lebt.

Die noch lange anhaltenden repressiven Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung der Sowjetunion führten einerseits zu einem zunehmenden Verlust von Kenntnissen der deutschen Sprache und der eigenen ethnokulturellen Identität und anderseits zu einem Auswanderungsdruck in die Bundesrepublik Deutschland. Nach der politischen Wende 1989 und vor dem Hintergrund dramatisch gestiegener Zahlen von Aussiedlern bemühten sich beide Staaten um die Stärkung des Bleibewillens der Russlanddeutschen. Hierzu gehörte auf russischer Seite die Gründung zweier deutscher Landkreise in Sibirien (Asowo und Halbstadt) im Jahr 1992. Im Rahmen ihrer Förderpolitik gegenüber den von den Kriegsfolgen am nachhaltigsten betroffenen Deutschen im östlichen Europa und in der ehemaligen Sowjetunion unterstützt die deutsche Regierung seit Anfang der 90er Jahre daher in besonderem Maße die Russlanddeutschen in der heutigen Russischen Föderation. Galt die Unterstützung zunächst der Verbesserung der Lebensverhältnisse durch Schaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen und damit der Stärkung des Bleibewillens, so dient sie heute vor allem der Stärkung der kulturellen Identität und der Gemeinschaft. Die Unterstützung der deutschen Minderheit wird im gegenseitigen Einvernehmen der deutschen und russischen Regierungen auf der Grundlage des 1992 unterzeichneten Protokolls zur stufenweisen Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen gewährt. Das zentrale Gremium dieser Zusammenarbeit ist die unter der Beteiligung der Selbstorganisation der Russlanddeutschen regelmäßig tagende Deutsch-Russische Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen.

Die heute in der Russischen Föderation verbliebenen Russlanddeutschen sind in zahlreichen Vereinen und Verbänden gut und flächendeckend organisiert. Die Grundlage ihrer Tätigkeit bilden über 400 örtliche Begegnungszentren und vier Deutsch-Russische Häuser in großen Städten. Politisch werden sie durch die Föderale Nationale Kulturautonomie der Russlanddeutschen vertreten, dem Dachverband aller regionalen und örtlichen Kulturautonomien. Der größte und bedeutendste Verein der Russlanddeutschen ist der Internationale Verband der Deutschen Kultur. Unter dem Dach des Jugendrings der Russlanddeutschen sind die meisten Jugendorganisationen vereint. Die deutsche Minderheit verfügt über zahlreiche regionale und überregionale Printmedien. Auch russlanddeutsche Wissenschaftler und Künstler sind zentral organisiert. Das Internetportal www.rusdeutsch.eu informiert tagesaktuell über die Tätigkeiten der Verbände.

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