Rede anlässlich des friesischen Biikebrennens in Risum-Lindholm
Rede 21.02.2020
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Rednerin oder Redner
Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
Es gilt das gesprochene Wort!
Ich freue mich sehr darüber, dass ich heute zum ersten Mal an einem Biikebrennen teilnehmen konnte.
Für die Einladung nach Risum-Lindholm und die Zusammenstellung meines Besuchsprogramms danke ich besonders der Vorsitzenden und dem Geschäftsführer des Friesenrates, Frau Christiansen und Herrn Nickelsen, aber auch allen anderen, die dazu beigetragen haben, dass ich heute einen tiefen Einblick in die friesische Kultur nehmen konnte.
Das Biikebrennen gerade in Risum-Lindholm zu erleben, war für mich besonders schön. Man spürt einfach, dass dies ein zentraler Ort friesischen Lebens ist, in dem die friesische Sprache und Kultur besonders gepflegt wird, wo aber auch die dänische Minderheit sehr präsent ist.
Auch unser Bundespräsident hat in seinem schriftlichen Grußwort anlässlich der diesjährigen Biike-Feiern formuliert: "Solche Begegnungen sind ein Wert an sich, denn sie bringen auf wunderbare Weise ein Gespräch darüber in Gang, was diesen Landstrich eigentlich ausmacht und wie die Region wurde, was die heute ist."
Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten habe ich Risum-Lindholm mit großer Freude als Ort wahrgenommen, in dem die Sprachen und Kulturen der hier ansässigen nationalen Minderheiten aktiv gelebt werden.
Es war mein ausdrücklicher Wunsch, die alte friesische Tradition des Biikebrennens, von der ich schon viel gehört hatte, einmal selbst mitzuerleben. Und ich muss sagen: Es war sehr beeindruckend! Heute Morgen durfte ich bereits an der Kinderbiike in der dänisch-friesischen Schule teilnehmen, heute Abend nun am „großen“ Biikebrennen.
Ich bin von diesem Brauch wirklich begeistert. Es handelt sich um traditionelles Brauchtum, das die friesische Identität prägt, aber auch Ausstrahlungskraft auf die nichtfriesische Bevölkerung hat, Jung und Alt in seinen Bann zieht und die verschiedenen Generationen zusammenbringt.
Wo findet man so etwas heute noch? Das Biikebrennen ist damit nicht nur für die friesische Volksgruppe identitätsstiftend, sondern trägt auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung bei.
Da ich selbst Angehöriger einer Minderheit bin – Siebenbürger Sachse aus Rumänien –, weiß ich, wie wichtig es ist, etwas zu haben, das alle Angehörigen einer Minderheit verbindet, etwas, mit dem sich alle identifizieren können, das alle pflegen und auch in der Zukunft fortführen möchten. Etwas, das – ebenso wie eine gemeinsame Sprache – Identität, Zusammenhalt und ein Gemeinschaftsgefühl schafft. So wie das Biikebrennen.
Ich finde es deshalb großartig, dass das Biikebrennen 2014 in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden ist. Ein Element der Definition von Immateriellem Kulturerbe ist, dass es von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Gerade das Generationenübergreifende dieses Brauchs ist aus meiner Sicht daher besonders wertvoll. Maßgeblich für den Erfolg aller Bemühungen einer nationalen Minderheit, die eigene Sprache und Kultur zu erhalten, ist es, die nachfolgenden Generationen dafür zu gewinnen.
Eigentlich ist das eine banale Erkenntnis. Trotzdem muss man sich immer wieder bewusstmachen, dass auch jahrhundertealte Sprachen und Traditionen innerhalb kurzer Zeit aussterben können, wenn es nicht gelingt, diese in der jungen Generation nachhaltig zu verankern. Das Biikebrennen ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie gut dies funktionieren kann.
Aus der Anerkennung als immaterielles Kulturerbe erwächst die Verpflichtung, den Brauch des Biikebrennens an die junge Generation weiterzuvermitteln. Dieser Auftrag gilt aus meiner Sicht aber auch in einem breiteren Sinn, nämlich bezogen auf die friesische Sprache und Kultur insgesamt.
Ich möchte deshalb hiermit alle friesischen Vereine dazu ermuntern, gründlich darüber nachzudenken, welche Angebote sie Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen machen können, um diese möglichst dauerhaft an die friesische Sprache und Kultur zu binden.
Dabei ist es aus meiner Sicht nicht nur notwendig, sie möglichst früh mit der friesischen Sprache und Kultur in Berührung zu bringen. Dies wird sicherlich in jungen Jahren häufig spielerisch erfolgen, etwa durch Theatergruppen, Jugendfreizeiten und andere Aktivitäten.
Jugendliche und junge Erwachsene sollten aber auch an die Vereinsarbeit herangeführt werden. Sie sollten dazu gebracht werden, sich für den Erhalt der friesischen Sprache und Kultur verantwortlich zu fühlen, sich aktiv für deren Erhalt einzusetzen.
Dazu gehört auch die sprachpolitische Arbeit. Auch hierfür muss eine nationale Minderheit wie die friesische Volksgruppe Nachwuchs heranbilden. Denn neben der Pflege der eigenen Sprache und Kultur ist es auch wichtig, sich auf politischer Ebene hierfür einzusetzen, die Interessen der Minderheit kompetent und glaubwürdig zu vertreten und Unterstützung für die friesischen Anliegen in der Politik, in der Verwaltung und in der Mehrheitsbevölkerung zu gewinnen.
Deshalb mein Appell an alle Verantwortlichen friesischer Vereine: Binden Sie junge Menschen in die Vereinsarbeit ein, machen Sie sie mit Vereinsstrukturen und Gremienarbeit vertraut, leiten Sie sie entsprechend an.
Der heutige Tag, der mit der Kinderbiike begann und mit der abendlichen Biike und dem jetzigen Beisammensein seinen Abschluss findet, war für mich nicht nur besonders erkenntnisreich, sondern es hat genauso viel Freude bereitet. Und auf das, was gleich noch kommt – wie das friesische Theater –, bin ich ebenfalls schon sehr gespannt.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch einen schönen gemeinsamen Abend!