Festrede anlässlich des Symposiums "Deutsche Minderheit und Europa"

Typ: Rede , Datum: 23.05.2019

  • Ort

    Sombor / Serbien

  • Rednerin oder Redner

    Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

Es gilt das gesprochene Wort!

Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ist es mir eine große Freude, heute an diesem Symposium teilzunehmen und heute Abend eine der beiden Festreden halten zu dürfen.

Ich überbringe Ihnen die guten Wünsche der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer.

Sehr verehrte Frau Bürgermeisterin,

Ihnen möchte ich ganz besonders für die freundliche Aufnahme in Sombor danken. Wir alle sind beeindruckt von Ihrem außerordentlich aktiven Einsatz für Ihre Stadt, der deutlich sichtbar Früchte trägt. Und ich möchte insbesondere auch Ihr Engagement für das Wohl und die Belange der deutschen Minderheit hervorheben. Die Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und dem lokalen Verein St. Gerhard ist beispielhaft, herzlichen Dank dafür.

Ich möchte mich auch bei Ihnen, Herr Beckmann-Dierkes, für die Einladung zu diesem Symposium bedanken.

Wir haben bereits im Laufe des Tages drei aufschlussreiche Diskussionen zur Lage der deutschen Minderheiten in der Region, zu den Minderheitenrechten in Europa sowie zur Medienarbeit verfolgen dürfen. Das Motto der jetzigen Abendveranstaltung lautet nun „Deutsche Minderheit und Europa“. Lassen Sie mich deshalb mit einigen Gedanken zu Europa und zu der Bedeutung der Europäischen Union für die deutsche Minderheit beginnen.

Die Europäische Union hat ihre Wurzeln in einer Zeit, die deutlich geprägt war von den desaströsen Folgen des Zweiten Weltkriegs. Das Leid und die Zerstörung beherrschten damals noch sehr die Gedanken und Gefühle der Menschen. Die Gründungsväter waren bemerkenswerte Visionäre. Ihre Vision war auf anhaltenden Frieden, Sicherung der Freiheit und Solidarität zwischen den beteiligten Staaten und Völkern gerichtet.

Die Umsetzung dieser Idee einer länderübergreifenden Gemeinschaft unter Einbeziehung aller ehemals verfeindeten Kriegsgegner bedingte enormes gegenseitiges Vertrauen und Mut zur Versöhnung. Von sechs Gründungsstaaten und einer Beschränkung auf die Zusammenarbeit in den Bereichen Kohle und Stahl zählen wir nunmehr 28 Mitgliedstaaten und sind zu einer Wirtschafts- und Währungsunion geworden.

Einer der Gründerväter, Jean Monnet, fasste es treffend zusammen: "Nicht Staaten vereinigen wir, sondern Menschen." Dies zeigt, dass für Monnet der Mensch im Mittelpunkt seiner Vision stand.

Der Vertrag von Lissabon aus dem Jahre 2007 unterstreicht in Art. 3 klar als Ziel der Union, den Frieden, die Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. Europa ist folglich definitiv ein Friedensprojekt, aber auch ein Werteprojekt für seine Bürger. Die Menschen sind im Mittelpunkt der Gemeinschaft.

Art. 2 des Vertrages von Lissabon fasst entsprechend zusammen, wofür diese Europäische Union steht: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich - und das möchte ich jetzt betonen - der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.

Die Europäische Union hat den Schutz der Minderheiten also explizit in seiner Wertedefinition aufgenommen. Art. 3 ergänzt diese Erwähnung durch die Verpflichtung der Union, den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt zu wahren und für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas zu sorgen.

Während die Regelungen des EU-Vertrages sich nur an die 28 Mitgliedstaaten richten, hat der Europarat Regelungen geschaffen, die über diesen Kreis hinaus in einem größeren europäischen Kontext Anwendung finden. Hier sind insbesondere das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 sowie die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen von 1992 zu nennen.

Ziel der Europäischen Charta ist es, dass Regional- oder Minderheitensprachen als ein einzigartiger Bestandteil des kulturellen Erbes Europas anerkannt werden, sie befasst sich daher spezifisch mit einem bedeutsamen Ausschnitt des Minderheitenschutzes, nämlich dem Erhalt der Minderheitensprachen.

Allgemeine Regelungen zu den Minderheitenrechten finden sich dagegen im Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, das eine Reihe von wichtigen Schutzvorschriften enthält. So haben 39 von 47 Mitgliedstaaten des Europarates das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ratifiziert. Auch die Sprachencharta wurde von Ihren Herkunftsländern ratifiziert. Die Länder, die bereits der Europäischen Union beigetreten sind, haben sich darüber hinaus zu den Werten dieser Gemeinschaft bekannt und zu deren Umsetzung verpflichtet.

Mein ausdrücklicher Dank gilt hier der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), insbesondere der Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten in der FUEN, für das unermüdliche Engagement zur Erhaltung und Förderung der nationalen Identität, der Sprache, der Kultur und der Geschichte der nationalen Minderheiten in Europa.

Auch die Bundesregierung hat nach dem Fall der Mauer die Gelegenheit ergriffen und mit einer Vielzahl osteuropäischer Länder Freundschafts- und Partnerschaftsverträge geschlossen, die in den meisten Fällen Schutzklauseln für die deutsche Minderheit enthalten.

Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich seither unermüdlich für den Schutz der deutschen Minderheit in den MOE-Ländern, den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und dem Baltikum ein. Seit 1990 hat Deutschland über 1,2 Milliarden Euro Unterstützungszahlungen für die deutsche Minderheit in diesen Ländern geleistet. Während zu Beginn der Förderung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch die Linderung der wirtschaftlichen Not und die Verbesserung der Lebens- und Zukunftsperspektiven im Vordergrund standen, zielt die Förderpolitik der Bundesregierung mittlerweile besonders auf identitätsstärkende Maßnahmen ab.

Insbesondere die Bindung an die deutsche Sprache und die dauerhafte Sicherung ihrer ethno-kulturellen Identität sind von essentieller Bedeutung. Besonderes Augenmerk gilt auch der Jugendarbeit als Voraussetzung für das Fortbestehen der deutschen Minderheit als eigenständiger Volksgruppe. Die Verwendung der Fördermittel ist allerdings von Herkunftsland zu Herkunftsland unterschiedlich, diese Unterschiedlichkeit begründet sich aus der Diversität der Bedürfnisse.

Nun habe ich sehr viel über die Bedeutung Europas und der Eingliederung Ihrer Herkunftsländer in die Europäischen Strukturen gesprochen. Ich möchte jedoch meine Rede nicht beenden, bevor ich nicht auf die erhebliche Bedeutung der Minderheiten für Europa hingewiesen habe.

Die deutsche Minderheit hat sich in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, die durch Verfolgung und starke Auswanderungsbewegungen gekennzeichnet waren, nicht davon abbringen lassen, sich zu ihren deutschen Wurzeln zu bekennen und diese zu pflegen. Gleichzeitig gestaltet die deutsche Minderheit aktiv die Gegenwart in der Gesellschaft ihrer Herkunftsländer und trägt zu dem wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben dort bei.

Und genau dies ist ihr gemeinsamer Beitrag zur Völkerverständigung, zur Aussöhnung und den freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und ihren Herkunftsländern. Sie alle sind die Architekten dieser Freundschaft, die Brückenbauer zwischen den Völkern Europas und haben damit aktiven Anteil an dem friedlichen Zusammenwirken in Europa. Der Schutz der Minderheiten in Europa und die konsequente Umsetzung in den Mitgliedstaaten, trägt dazu bei, die kulturelle Vielfalt in Europa zu bewahren. Minderheiten werden immer durch die Kenntnisse von Kultur und Sprache verschiedener Länder zu natürlichen Mittlern und Brückenbauern.

Den Angehörigen der deutschen Minderheit ist es gelungen, über Jahrhunderte ihre eigene kulturelle Identität zu bewahren und gleichzeitig die gemeinsamen Werte der Mehrheitsbevölkerung anzunehmen. Das Bekenntnis zur eigenen Sprache, Geschichte, Kultur und Religion sowie gleichzeitig die allgemeine Loyalität gegenüber dem Herkunftsstaat, der zur neuen Heimat wurde, sind kein Widerspruch, sondern Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben von Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung.

Nun bleibt mir noch für den herzlichen Empfang zu danken; ich wünsche uns noch ein weiter gutes Gelingen dieser Festveranstaltung und fröhliche Stunden.