Ausstellungseröffnung „Das Deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte“
Rede 20.02.2019
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Ort
Berlin
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Rednerin oder Redner
Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
Es gilt das gesprochene Wort!
Ich freue mich sehr darüber, dass diese besondere Fotoausstellung den Weg ins Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefunden hat!
Ihr Thema ist „Das deutsche Wolgagebiet“, das allen Russlanddeutschen sofort ein Begriff ist und vielfältige Gefühle und Bilder auslöst, etwa von „Heimat im Herzen“ und deutscher Autonomie. Dagegen ist dieses Thema für viele Menschen in Deutschland etwas Neues. Wer aber einmal diese Fotos näher angeschaut und an sich herangelassen hat, der bekommt einen guten Eindruck davon, worum es geht. Warum? Weil, wie der Volksmund treffend formuliert, „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“.
Diese sorgfältig ausgewählten, erstmals ausgestellten Fotos aus verschiedenen Archiven und Museen in Russland und in Deutschland haben die Kraft, eine für viele längst versunkene Welt vor unserem inneren Auge auferstehen zu lassen. Die eindringliche Intensität solcher Fotos erreicht kein Text der Welt.
Lassen Sie mich - pars pro toto - persönliche Eindrücke schildern, die die Fotos der Ausstellung bei mir hervorgerufen haben:
Das Foto auf dem Ausstellungsplakat, das ein Kind an den Ufern der Wolga zeigt, lässt uns ahnen, wie groß dieser Fluss ist, und das Kamel inmitten des Kornfeldes, wie weit entfernt sich das Wolgagebiet von Deutschland, der historischen Heimat der Wolgadeutschen, befindet.
Das Spannungsverhältnis zwischen Autonomie des Wolgagebietes und Steuerung durch die Sowjetmacht aus Moskau kommt in den Bildern der Regierung des Wolgagebietes einerseits und dem Foto der Sitzung des Rates der Volkskommissare unter Vorsitz von Lenin anderseits zum Ausdruck.
Besonders bedrückend sind die schrecklichen Fotos der beiden Hungersnöte, vor allem die der vorn Hunger geschwächten Kinder.
Die Fotos aus dem Bereich der Landwirtschaft und Agrarindustrie erklären sehr gut, warum dieser Sektor des Schaffens der Wolgadeutschen so erfolgreich und berühmt war: Wunderbare Kornfelder, vielfältiger Gemüseanbau und diverse Nutztierzucht, beeindruckende Tabakplantagen und Wassermelonen und dazu passende Fabriken: von Mühlen über Molkereien, Schlachtbetriebe und Konservenfabriken bis hin zu Textilfabriken, Traktoren-Reparaturbetrieben und einem Elektrizitätswerk.
Ausgleich zu diesem intensiven Tun und Schaffen fanden, wie andere Bilder bezeugen, die Wolgadeutschen im Kreis ihrer Familie, in ihren Häusern oder Gärten, in Kirchen und dazugehörigen Gemeinden, bei Tänzen.
Am Ende der Ausstellung treffen Fotos vom reichen und vielfältigen Kulturleben auf ein Abbild des „harten Wortes“ von Stalin, Ausgangspunkt der Deportationen und damit des Anfangs nicht nur vom Ende der Wolgarepublik, sondern auch vom „Deutschen Wolgagebietes“ insgesamt.
Ich bin mir sicher, dass diese beeindruckenden Fotos vom Leben der Wolgadeutschen einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung über die Geschichte und kulturelle DNA der Russlanddeutschen leisten werden.
Diese ist auch wichtig, weil trotz der 2,3 Millionen russlanddeutscher Aussiedler und Spätaussiedler in Deutschland noch immer zu wenig über deren Hintergrund bekannt ist.
Dieses zu ändern, ist ein Anliegen, das uns verbindet.
Abschließend möchte ich daher dem Internationalen Verband der deutschen Kultur für Idee und Realisierung dieser beeindruckenden und anrührenden Fotoausstellung danken. Ich wünsche der Ausstellung hier im BMI wie auch darüber hinaus viele Besucher.