63. Jahreskongress der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten
Rede 20.06.2018
Ansprache des Bundesbeauftragten Prof. Dr. Fabritius anlässlich des Jahreskongresses der FUEN
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Ort
Ljouwert / Leeuwarden (Niederlande)
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Rednerin oder Redner
Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
Es gilt das gesprochene Wort!
Ich darf mich bei der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) ganz herzlich für die Einladung zu ihrem Kongress und die Möglichkeit, hier ein kurzes Grußwort zu Ihnen sprechen zu dürfen bedanken. Meine Entscheidung zur Teilnahme habe ich unmittelbar nach meiner Berufung in das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten durch die Bundesregierung am 11. April 2018 getroffen. Ich darf Ihnen die herzlichen Grüße der deutschen Bundesregierung überbringen, insbesondere der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, in dessen Ministerium mein Amt als Aussiedler- und Minderheitenbeauftragter angesiedelt ist.
Ich kenne die Situation nationaler Minderheiten, ihre tagtäglichen Herausforderungen im Zusammenleben mit ihren Mitbürgern vor Ort, aus eigenem Erleben. Ich wuchs als Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien auf, bis ich mit 18 Jahren gemeinsam mit Eltern und Geschwistern die angestammte Heimat in Richtung Bundesrepublik Deutschland verließ. Seit etwa dem 30. Lebensjahr bin ich in Verbänden der aus Siebenbürgen stammenden Deutschen aktiv und somit in einem engen Kontakt mit den in der angestammten Heimat verbliebenen Deutschen.
Minderheitenschutz hat in Siebenbürgen eine gute Tradition. Ich möchte hier nur an meinen Landsmann Rudolf Brandsch erinnern, den ersten Regierungsbeauftragten für nationale Minderheiten in der europäischen Geschichte. Vom 18. April 1931 bis zum 31. Mai 1932 leitete er als Unterstaatssekretär das "Unterstaatssekretariat für Minoritäten", das direkt beim rumänischen Ministerrat angesiedelt war. Von 1925 bis 1938 arbeitete Rudolf Brandsch als ständiger Delegierter im Europäischen Nationalitätenkongress, der Vorläuferorganisation der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten, aktiv mit.
In meiner Arbeit als Minderheitenbeauftragter der deutschen Bundesregierung sind meine eigene Biographie sowie die vielen minderheitenpolitischen Beiträge meiner siebenbürgischen Landsleute für mich ein zusätzlicher Ansporn, einen Beitrag für einen modernen und effektiven Schutz nationaler Minderheiten in Europa zu leisten. In diesem Sinne durfte ich auch schon im Unterausschuss für Minderheitenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats von 2013 bis 2017 mitarbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FUEN steht wie keine andere Organisation für die zivilgesellschaftliche Komponente des Schutzes und der Förderung nationaler Minderheiten in Europa. Ich bin fest davon überzeugt: Effektiver und nachhaltiger Minderheitenschutz sind – mathematisch gesehen – das Produkt aus zwei Faktoren: Der eine Faktor sind die Maßnahmen des Heimatstaates zur Erhaltung und Entwicklung der Sprache und Kultur der nationalen Minderheiten, die auf seinem Staatsgebiet leben. Der Heimatstaat muss die angemessenen Rahmenbedingungen schaffen und für die auskömmliche Finanzierung von Fördermaßnahmen, insbesondere auch auf dem Gebiet der Schulbildung sowie der Kultur- und Medienarbeit Sorge tragen. Der zweite Faktor ist nicht weniger wichtig: die Eigeninitiative und das Eigenengagement der nationalen Minderheiten selbst. Die beste Minderheitenschutzpolitik seitens des Heimatstaates nützt wenig, wenn sich nicht die Angehörigen der Minderheit selbst für ihre Angelegenheiten engagieren. Auch und gerade die Führungen der Selbstorganisationen müssen ihre Arbeit fortlaufend reflektieren und evaluieren. Dabei sollten sich die nationalen Minderheiten nicht nur um ihre eigenen Belange kümmern, sondern sich auch aktiv in Politik und Gesellschaft ihres Heimatstaates einbringen. Es gibt unzählige Beispiele von herausragenden Persönlichkeiten, die mit Unterstützung auch der Mehrheitsbevölkerung für wichtige Aufgaben ausgewählt wurden.
Warum verwende ich hier das Bild eines mathematischen Produkts? Weil uns immer klar sein muss, dass beide Faktoren – Unterstützung durch den Heimatstaat und Eigenengagement der Minderheit – gleichermaßen wesentlich sind. Ist einer der Faktoren null, ist auch das Produkt null.
Deshalb ist die Arbeit der FUEN als der Dachverband der Selbstorganisationen nationaler Minderheiten auf europäischer Ebene so wichtig. Die Bundesrepublik Deutschland stellt der FUEN seit 2016 Projektmittel von 500.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. In dieser Summe ist auch die Unterstützung für die Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten in Europa sowie für die Jugend Europäischer Volksgruppen enthalten. Ich freue mich, hier mitteilen zu dürfen, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgeschlagen hat, auch 2018 diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, und bin zuversichtlich, dass unser Parlament dieses in zwei Wochen bestätigt.
Erlauben Sie mir, die minderheitenrechtlichen Regelungen des Europarates anzusprechen. Ich erachte gerade diese als besonders wichtig, weil mit den beiden zentralen Dokumenten des Europarats – dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Europäischen Sprachencharta der Regional- oder Minderheitensprachen –wichtige rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Besonders effektiv ist hierbei das Evaluations- und Berichtswesen, in dem ausgewiesene Experten mitwirken und so zu effektivem Minderheitenschutz beitragen.
Die Bundesregierung fördert nicht nur die nationalen, autochthonen Minderheiten im eigenen Land, sondern sie unterstützt auch die deutschen Minderheiten in Europa. Die Unterstützung nationaler Minderheiten durch ihre „Mutterstaaten“ ist legitim. Diese Unterstützung ist geleitet von Transparenz und Zusammenarbeit mit den Regierungen der Heimatstaaten sowie der Einbeziehung der Selbstorganisationen der Minderheiten auf Augenhöhe. Ich möchte hier eines betonen: Die Bundesregierung sieht sich bei dieser Unterstützung als Partner der deutsche Minderheiten wie auch der jeweiligen Regierungen und respektiert dabei staatliche Souveränität, auf keinen Fall jedoch erhebt sie etwa den Anspruch, Schutzmacht für die Angehörigen der deutschen Minderheiten im Ausland zu sein.
Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier hat dieses vor knapp einem Jahr in der estnischen Hauptstadt Tallinn ganz deutlich formuliert:
"Der Anspruch von Rechtsstaatlichkeit im Inneren gehört untrennbar zusammen mit dem Anspruch von Souveränität nach außen. Denn wenn unser Rechtsstaat seine Pflicht erfüllt, für gleiche Rechte und Chancen zu sorgen und gegen die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen vorzugehen, dann entziehen wir selbsternannten Schutzmächten ihre Grundlage. Kein fremder Staat hat das Recht, sich zur Schutzmacht einer Gruppe in unserem Land oder Ihrem Land aufzuschwingen. Solche Einflussnahme lehnen wir ab. Und übrigens: In einer Welt, die von wachsender Vielfalt innerhalb der Landesgrenzen geprägt ist, ist so ein Schutzmachtanspruch eine Büchse der Pandora, und es gibt gute Gründe, diese Büchse geschlossen zu halten. Unsere Haltung ist eindeutig: Wir Europäer schätzen und schützen Vielfalt – unsere Bürger brauchen keine selbsternannten Schutzmächte von außen!"
Unterstützungsleistungen müssen also immer auch darauf ausgerichtet sein, die Loyalität der Angehörigen der Minderheit gegenüber ihrem Heimatstaat zu erhalten und zu stärken.
Die Unterstützung nationaler Minderheiten durch die sogenannten "Mutterstaaten" kann ohnehin nur eine Ergänzung zur Minderheitenförderpolitik der jeweiligen Heimatstaaten sein, die primär deren ureigene Aufgabe ist. Wenn ich im mathematischen Bild von Minderheitenschutz als Produkt zweier Faktoren bleiben darf: Die Unterstützung durch die „Mutterstaaten“ ist kein zusätzlicher Faktor, sondern vielmehr ein Additiv, das nicht konstitutiv oder gar existenziell für die Minderheitenförderung sein sollte.
Dieses zu betonen, ist auch deshalb wichtig, weil es nicht wenige nationale Minderheiten gibt, die über einen "Mutterstaat" gar nicht verfügen. Ich nenne hier nur die Roma und Sinti in Europa als größte Gruppe. Gerade für diese sind die Existenz und die Arbeit der FUEN von ganz besonderer Bedeutung!
Ich bedanke mich nach diesen Ausführungen noch einmal für die freundliche Einladung und freue mich schon auf spannende Vorträge und interessante Begegnungen. Ich wünsche dem FUEN-Jahreskongress einen guten Verlauf!